Ein LVS auf Skitour dabei zu haben, bzw. auch einzu-schalten, erscheint vielen offenbar immer noch als ein Luxus. Das kann ins Auge gehen. Zwei Beispiele aus der Praxis.
In der Wintersaison 2008/2009 ereigneten sich in Österreich 163 durch die Alpinpolizei erhobene und statistisch erfasste Lawinenunfälle, bei denen insgesamt 32 Personen getötet wurden. Die genauere Betrachtung dieser Unfalldaten ergab, dass bei zahlreichen dieser Lawinenunfälle die Verschütteten ohne LVS in freiem Skiraum unterwegs waren. Entsprechend hoch war die Letalitätsrate.

Ebenso auffallend ist, dass bei diesen Unfällen überraschend viele Opfer gut bis sehr gut ausgebildet und damit mit den Gefahren der Lawinenverschüttung bestens vertraut waren. Ihnen war aufgrund ihrer Ausbildung der Grundsatz „Niemals ohne LVS ins freie Skigelände!" mit Sicherheit be-kannt.
1. Unfall
Im April 2008 las man in der Tiroler Tageszeitung Digitaldruck Tirol den Skitourentipp auf einen bekannten und äußerst beliebten Gipfel in den Stubaier Alpen. Diesen Tipp nahmen zwei Skitouren-Neulinge auf und reihten sich am frühen Vormittag hinter zahlreichen Bergsteigern in die Spur zum Gipfel ein. Beide hatten keinerlei Notfallausrüstung (LVS, Sonde u Schaufel) dabei, weil sie nichtglaubten, dass sie diese Ausrüstung für diese Tour benötigen würden.
Zur selben Zeit stieg auch ein „routinierter" Skitourengeher mit sehr guten Lo-kalkenntnissen zu diesem Gipfel auf. Er hatte zwar ein LVS-Gerät dabei, allerdings ausgeschaltet im Rucksack!
Am Gipfel kamen diese drei Personen ins Gespräch, wobei der „Alleingänger" den Tourenanfängern erklärte, dass er bereits ca. 50 Mal auf diesem Gipfel war. Er bot ihnen an, gemeinsam eine nicht alltägliche und be-sonders lohnende Abfahrt zu machen.
Im Zuge der darauffolgenden Abfahrt fuhr er dann auf einer Seehöhe von 2.340 m über eine Kuppe in eine ca. 35 Grad steile Rinne ein. Dabei löste er eine Lawine aus, wurde von dieser mitgerissen und in der Folge im Lawinenkegel ganz verschüttet.

Da beide keinerlei Notfallausrüstung mit-führten, konnten sie vorerst nur einen Notruf absetzen und auf das Eintreffen der Rettungskräfte bzw. anderer vorbeikom-mender Töurengeher warten.
Der Verschüttete hatte zwar ein LVS in seinem Rucksack, dieses jedoch nicht einge-schaltet. Er konnte deshalb erst am darauf folgenden Tag, gegen Mittag, nach sehr personal- u. materialaufwändiger Suche (Sondierung der gesamten Lawine im unteren Bereich) von den Rettungskräften tot aus der Lawine geborgen werden.
2. Unfall

Für alle fünf Tourengeher standen nur drei LVS-Geräte und drei Lawinenschaufeln zur Verfügung, wobei der erfahrene Vater sein LVS mit der Bemerkung „Ich brauche bei dieser Tour sowieso kein LVS" seiner Tochter überließ.

Nach einer längeren Rast stieg er vorerst zu Fuß über den Nordgrat ab und fuhr anschließend in einen ca. 40° steilen Nordosthang ein. Bereits nach drei Schwüngen löste sich eine große Schneebrettlawine, die den Tourengeher in der Folge im Lawinenkegel ca. 70 cm hoch verschüttete. Da der Vater nicht am vereinbarten Treffpunkt auf der Alm ankam, wurde ein Sucheinsatz gestartet. Die Besatzung eines Hubschraubers konnte den Verschütteten auf der Lawine weder durch visuelle Grobsuche noch durch eine Suche mit LVS finden.
Erst im Zuge eines Lawinenhundeeinsatzes konnte er geortet und in der Folge nur noch tot aus der Lawine geborgen werden.
Diese exemplarisch aufgezeigten Un-fälle zeigen die vielschichtigen Ursa-chen, weshalb teilweise kein LVS bei Skitouren Tirol verwendet wird: Der eine will nur einmal in diese Sportart „hin-einschnuppern" und ist deshalb noch nicht entsprechend ausgerüstet, dem anderen ist die Notfallausrüstung ein-fach zu teuer. Andere bewegen sich laut eigenen Angaben „eh' nur in total sicherem, Gelände"! Der Einzelgänger erklärt, dass ihm das LVS im Ernstfall sowieso nichts nützen würde. Andere wieder haben ein LVS, tragen es aber aus verschiedenen Gründen ausge-schalten im Rucksack od. am Körper, bzw. vergessen es zu Hause und starten trotzdem — im vollen Bewusstsein kein LVS dabei zu haben — ihre Tour. Auch der LVS-Check am Beginn der Skitour wird meist nur von geführten Gruppen durchgeführt, wodurch ein derartiger Ausrüstungsmangel auch nur im Falle eines Unfalles auffällt.
Gemäß der aktuellen Lehrmeinung ist es unverzichtbar, dass bei Skitouren die vollständige Notfallausrüstung (LVS, Sonde und Schaufel) mitgeführt und vor allem das LVS in eingeschaltetem Zustand am Körper getragen wird. Ein Mangel in diesem Ausrüstungsbereich hat nicht nur gravierende Auswirkungen für den Verschütteten, sondern oft auch für die Suchmannschaften. Es kommt dadurch oft zu personal- und zeitintensiven Suchaktionen in meist gefährlichem Gebiet. In manchen Fällen können Verschüttete erst im Frühjahr nach der Schneeschmelze gefunden werden.
Erich Ladstätter
Landespolizeikommando Tirol,
Ausbildungsleiter
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